Das Versicherungsvertragsgesetz (VVG) schreibt in Paragraf 6 vor, dass Kunden vor dem Abschluss einer Versicherung beraten werden. Diese Pflicht gilt auch, wenn es sich um die Fortschreibung eines bestehenden Vertrages zu unveränderten Konditionen handelt, wie ein aktueller Fall unterstreicht.

Die SparkassenVersicherung (SV) hatte ihren Wohngebäudeversicherungs-Kunden eine vierjährige Vertragsverlängerung gegen 25 Prozent Beitragsrabatt angeboten, wenn sie dafür auf eine Beratung verzichteten. Daraufhin schickte ihr die Verbraucherzentrale Baden-Württemberg eine Abmahnung, da ein „wesentliches Verbraucherschutzrecht“ ausgehebelt worden sei. Gerade bei der Wohngebäudeversicherung gebe es immer wieder Neuerungen und Bedingungsverbesserungen, sodass auch vor einer Vertragsverlängerung eine Aufklärung notwendig sei. Zudem seien grundsätzlich die jeweils aktuellen Wünsche und Bedarfe des Kunden zu erheben.

Die SV zog ihr Angebot infolge der Abmahnung zurück, findet es aber dessen ungeachtet nach wie vor statthaft.

Der Fall zeigt eindrucksvoll, wie sensibel der Gesetzgeber den Bereich der Versicherungsvermittlung und Vertragsbetreuung inzwischen betrachtet. Hintergrund der klar formulierten Beratungspflichten im VVG ist die Erkenntnis, dass Versicherungsverträge häufig komplex sind und Verbraucher ohne qualifizierte Unterstützung nicht zuverlässig beurteilen können, welche Leistungen sie benötigen oder welche Risiken durch bestehende Verträge möglicherweise unzureichend abgedeckt bleiben. Gerade in Sparten wie der Wohngebäude- oder Gebäudeversicherung, die regelmäßig von tariflichen Anpassungen, Deckungserweiterungen und neuen Bedingungswerken betroffen sind, stellt eine kompetente Beratung sicher, dass Kunden nicht mit veralteten oder unzureichenden Versicherungsbedingungen weitergeführt werden.

Zudem trägt die Beratungspflicht dazu bei, Transparenz im Vertragsverhältnis zu schaffen. Für Versicherungsnehmer bedeutet eine Verlängerung oder Fortschreibung eines Vertrages nicht lediglich die Fortsetzung des bisherigen Schutzes, sondern oft die Chance, Verbesserungen zu integrieren oder den Versicherungsschutz an veränderte Lebenssituationen anzupassen. Ein Verzicht auf Beratung könnte daher dazu führen, dass wichtige Anpassungen übersehen werden – etwa veränderte Wohnflächen, Modernisierungen, gestiegene Baupreise oder neue Gefahrenlagen wie Starkregen- oder Elementarrisiken. Ohne Beratung kann es somit zu erheblichen Deckungslücken kommen, die im Schadenfall existenzielle Konsequenzen haben.

Die Abmahnung der Verbraucherzentrale unterstreicht darüber hinaus den hohen Stellenwert des Verbraucherschutzes im deutschen Versicherungsrecht. Der Versuch, Kunden für den Verzicht auf Beratung mit finanziellen Anreizen zu locken, wird von Verbraucherschützern als kritisch eingestuft, da dies eine strukturelle Schwächung der Informationsrechte des Kunden bedeuten könnte. Die Beratungspflicht ist nicht als belastende Formalie gedacht, sondern als elementarer Bestandteil eines fairen Vertragsabschlusses. Dass die SV trotz Rücknahme des Angebots weiterhin von seiner Rechtmäßigkeit überzeugt scheint, illustriert die Spannung zwischen unternehmerischer Gestaltungsmöglichkeit einerseits und gesetzlichen Schutzvorgaben andererseits.

Auch aus vertrieblichen und rechtlichen Perspektiven ergibt sich eine klare Linie: Versicherer und Vermittler tragen Verantwortung dafür, dass Kundinnen und Kunden fundierte Entscheidungen über ihre Absicherung treffen können. Ein dokumentiertes Beratungsgespräch dient nicht nur dem Schutz des Verbrauchers, sondern auch dem des Unternehmens, da es Missverständnisse, Fehlentscheidungen und spätere Streitigkeiten minimiert. Gerade bei langlaufenden Verträgen ist es essenziell, regelmäßig zu prüfen, ob die aktuellen Konditionen noch zeitgemäß sind und mit den tatsächlichen Bedürfnissen übereinstimmen.

Darüber hinaus verweist der Fall auf ein generelles Spannungsfeld innerhalb der Branche: Auf der einen Seite steht der Wunsch vieler Versicherer, Prozesse zu vereinfachen, Verwaltungsaufwand zu reduzieren und Kundenbindung über attraktive Konditionen zu stärken. Auf der anderen Seite bestehen feste rechtliche Rahmenbedingungen, die nicht nur formale Pflichten festlegen, sondern den Schutzgedanken in den Mittelpunkt stellen. Eine verpflichtende Beratung dient daher nicht nur als rechtlicher Anker, sondern auch als Qualitätsmerkmal der Branche.

Für Verbraucher ist dieser Fall zugleich eine wichtige Erinnerung daran, dass Versicherungsverträge aktive Betreuung benötigen und nicht lediglich als passives Produkt im Hintergrund laufen sollten. Lebenssituationen ändern sich, Risiken entwickeln sich weiter, und Leistungsinhalte werden angepasst. Eine regelmäßige professionelle Beratung stellt sicher, dass der bestehende Versicherungsschutz nicht nur formal korrekt, sondern auch inhaltlich angemessen und zukunftssicher bleibt.