Schwächen virtuelle Hauptversammlungen die Aktionärsrechte?

Während der Corona-Pandemie wurden sie als Notlösung etabliert, doch virtuelle Hauptversammlungen bleiben auch weiterhin bei der Mehrheit der 160 Aktiengesellschaften der DAX-Familie das Format der Wahl. Daran wird immer wieder Kritik von Aktionärsschützern laut.

Jüngst stimmte der Fondsverband BVI ein: „Ein echter Dialog zwischen Aktionären, Vorstand und Aufsichtsrat konnte auch bei den Online-Hauptversammlungen 2023, deren technische Durchführung häufig zu wünschen übrigließ, nicht stattfinden. Das hat die Hauptversammlung als oberstes Kontrollorgan und Sprachrohr der Aktionäre weiter entwertet“, bemängelt BVI-Hauptgeschäftsführer Thomas Richter. Hinzu komme, dass viele Hauptversammlungen parallel abgehalten würden.

So fanden beispielsweise am 17. Mai 2023 gleichzeitig 21 Hauptversammlungen von HDAX-Unternehmen statt, was schon von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz kritisiert wurde, in deren Namen bereits Anlegeranwalt Klaus Nieding in der ARD konstatierte: „Das kann kein Zufall sein.“

Weiterhin bemängelt der BVI die vom Gesetzgeber geplante Einführung von Mehrstimmrechtsaktien, die eine Abkehr vom Prinzip „Eine Aktie, eine Stimme“ bedeuten würde.

Hintergrundinformationen zur Hauptversammlung und Aktionärsrechte

Die Hauptversammlung eines Unternehmens ist eine zentrale Veranstaltung, auf der Aktionäre zusammenkommen, um wichtige Entscheidungen zu treffen und ihre Rechte auszuüben. Aktionärsrechte spielen dabei eine entscheidende Rolle und sind ein wesentlicher Bestandteil des demokratischen Prozesses innerhalb einer Aktiengesellschaft.

Dabei handelt es sich um eine zentrale Instanz der Unternehmensführung, die Transparenz, Partizipation und Mitbestimmung fördert.

Die Hauptversammlung hat mehrere Schlüsselfunktionen, darunter:

1. Entscheidungen über Gewinnverwendung: Aktionäre haben das Recht, über die Verwendung des erzielten Gewinns zu entscheiden. Dies kann in Form von Dividenden, Rücklagen oder anderen Kapitalverwendungen geschehen.

2. Wahl des Aufsichtsrats: Aktionäre wählen die Mitglieder des Aufsichtsrats, die die Unternehmensleitung überwachen und strategische Entscheidungen treffen.

3. Entlastung der Geschäftsführung: Die Hauptversammlung entscheidet über die Entlastung der Geschäftsführung von ihrer Verantwortung für vergangene Geschäftsperioden.

4. Änderung der Satzung: Aktionäre können über Änderungen der Satzung des Unternehmens abstimmen, die grundlegende Aspekte wie Unternehmensziele und -struktur betreffen.

 

Arten von Hauptversammlungen

Es gibt zwei Hauptarten von Hauptversammlungen:

1. Ordentliche Hauptversammlung: Diese findet in der Regel einmal im Geschäftsjahr statt und behandelt die regulären Geschäfte des Unternehmens, darunter die Jahresabschlussprüfung und die Gewinnverwendung.

2. Außerordentliche Hauptversammlung: Diese wird einberufen, wenn außergewöhnliche Entscheidungen anstehen, die nicht bis zur nächsten ordentlichen Hauptversammlung warten können. Hierzu zählen zum Beispiel Fusionen, Übernahmen oder Kapitalerhöhungen.

 

Aktionärsrechte im Detail

Die Aktionärsrechte bilden das Grundgerüst der Teilnahme und Mitbestimmung von Aktionären an der Unternehmensführung. Diese Rechte schützen die Interessen der Aktionäre und tragen dazu bei, dass Unternehmen transparent und verantwortungsbewusst geführt werden.

Stimmrecht

Das Stimmrecht ist das grundlegende Recht jedes Aktionärs, bei Abstimmungen auf der Hauptversammlung teilzunehmen. Jede Aktie gewährt in der Regel ein Stimmrecht, und die Anzahl der Stimmen eines Aktionärs ist direkt proportional zu seiner Beteiligung am Unternehmen.

Informationsrecht

Aktionäre haben das Recht, umfassend über die finanzielle Situation des Unternehmens informiert zu werden. Vor der Hauptversammlung erhalten sie Unterlagen wie den Jahresabschluss, den Geschäftsbericht und Vorschläge des Vorstands. Dieses Informationsrecht ermöglicht es den Aktionären, fundierte Entscheidungen zu treffen.

Recht auf Gewinnbeteiligung

Aktionäre haben Anspruch auf eine angemessene Beteiligung am Unternehmensgewinn. Dies geschieht in der Regel durch die Ausschüttung von Dividenden. Das Recht auf Gewinnbeteiligung ist ein wesentlicher Anreiz für Aktionäre, in ein Unternehmen zu investieren.

Recht auf Kapitalbeteiligung

Im Falle einer Unternehmensliquidation haben Aktionäre das Recht auf einen Anteil am verbleibenden Vermögen nach Begleichung aller Verbindlichkeiten. Dieses Recht sichert die Kapitalbeteiligung der Aktionäre im Falle einer Auflösung des Unternehmens.

Recht auf Kontrolle

Aktionäre haben das Recht, die Geschäftsführung des Unternehmens zu kontrollieren und zu beeinflussen. Dies geschieht durch die Wahl des Aufsichtsrats und die Möglichkeit, Vorschläge und Anträge während der Hauptversammlung einzubringen.

Anfechtungsrecht

Aktionäre haben das Recht, Beschlüsse der Hauptversammlung anzufechten, wenn diese gegen geltendes Recht oder die Satzung des Unternehmens verstoßen. Dieses Recht dient als Schutzmechanismus, um sicherzustellen, dass die Hauptversammlung ordnungsgemäß abläuft.

 

Auswirkungen von Aktionärsrechten auf die Unternehmensführung

Die Aktionärsrechte spielen eine entscheidende Rolle bei der Beeinflussung der Unternehmensführung. Hier sind einige der wesentlichen Auswirkungen:

Erhöhte Transparenz

Aktionärsrechte fördern eine erhöhte Transparenz, da Aktionäre das Recht auf umfassende Informationen über die Geschäftsaktivitäten und -ergebnisse des Unternehmens haben. Diese Transparenz trägt dazu bei, das Vertrauen der Aktionäre zu stärken und die Glaubwürdigkeit des Unternehmens zu erhöhen.

Verantwortungsbewusste Unternehmensführung

Das Recht auf Kontrolle und die Möglichkeit, die Geschäftsführung zu wählen, zwingen Unternehmen zu einer verantwortungsbewussten Führung. Die Geschäftsführung muss die Interessen der Aktionäre berücksichtigen und strategische Entscheidungen im besten Interesse des Unternehmens treffen.

Risikominderung

Aktionärsrechte tragen zur Risikominderung bei, indem sie Aktionären ermöglichen, auf Entwicklungen im Unternehmen zu reagieren. Das Anfechtungsrecht erlaubt es Aktionären, gegen rechtswidrige Entscheidungen vorzugehen.