Gerichtskosten steigen drastisch – immer mehr Menschen verzichten auf ihr Recht

Eine aktuelle Analyse des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) zeigt deutlich, wie stark die Gerichtskosten für Gerichtsverfahren in den vergangenen Jahren gestiegen sind.

Wer heute ein typisches Zivilverfahren führt, muss erheblich tiefer in die Tasche greifen als noch vor wenigen Jahren.

Ein anschauliches Beispiel für die Gerichtskosten liefert die Rückabwicklung eines Kaufvertrags für einen defekten Neuwagen: Mussten im Jahr 2020 noch durchschnittlich 8.310 Euro für ein solches Verfahren aufgebracht werden, liegt der Betrag inzwischen bei 11.109 Euro. Das entspricht einem Anstieg von 34 Prozent.

Noch drastischer fällt die Entwicklung von Gerichtskosten bei Klagen im Zusammenhang mit gefälschten Luxusartikeln aus. Wer etwa wegen einer gefälschten Armbanduhr vor Gericht zieht, muss heute rund 43 Prozent höhere Kosten tragen als vor fünf Jahren.

Hauptverantwortlich für diese Entwicklung sind die stetig steigenden Anwalts- und Gerichtsgebühren. Zuletzt kam es zum 1. Juni zu einer erneuten spürbaren Anhebung, die sich unmittelbar auf die Gesamtkosten niederschlägt. Hinzu kommt ein weiterer Faktor: die anhaltende Inflation.

Sie führt dazu, dass der durchschnittliche Streitwert steigt – und dieser bildet die Grundlage für die Berechnung der Gerichtskosten . Je höher der Streitwert, desto höher fallen automatisch auch die Kosten für Anwälte und Gericht aus.

Die finanziellen Belastungen haben weitreichende Konsequenzen für die Rechtssuchenden. Immer mehr Menschen verzichten darauf, ihre Ansprüche vor Gericht geltend zu machen, wenn sie nicht über eine Rechtsschutzversicherung verfügen. Die Aussicht auf hohe Kosten, die im ungünstigsten Fall selbst im Falle eines Teilerfolgs nicht vollständig kompensiert werden, schreckt viele potenzielle Kläger ab. Eine vom Bundesjustizministerium in Auftrag gegebene Umfrage unter Rechtsanwälten belegt dies eindrücklich: In rund 60 Prozent der Fälle wird der Verzicht auf eine Klage von den Mandanten mit den zu erwartenden Kosten begründet.

Damit entsteht eine gefährliche Schieflage. Das grundsätzliche Recht auf gerichtliche Durchsetzung von Ansprüchen wird de facto für viele Bürgerinnen und Bürger zu einer Frage des Geldbeutels. Gerade bei Streitigkeiten um Konsumgüter, Verträge oder Schadenersatz bedeutet dies, dass berechtigte Forderungen nicht verfolgt werden, wenn das finanzielle Risiko zu hoch erscheint. Gleichzeitig verstärkt sich die Bedeutung einer Rechtsschutzversicherung, die im Ernstfall die Kosten übernimmt und so den Zugang zum Rechtssystem absichert.

Die Analyse des GDV macht damit nicht nur ein Kostenproblem sichtbar, sondern legt auch einen gesellschaftlichen Missstand offen: Wer keinen Versicherungsschutz hat und die steigenden Gebühren nicht tragen kann, läuft Gefahr, sein Recht faktisch zu verlieren.  

Doch die Kostensteigerung wirkt weit über die juristische Einzelfallentscheidung hinaus. Für Unternehmen, insbesondere kleine und mittelständische Betriebe, bedeutet die erhöhte Verfahrenskostenlast eine spürbare Verschiebung im Verhältnis von Risiko und Chancen. Wenn etwa Schadensersatz- oder Gewährleistungsansprüche gegen Lieferanten oder Dienstleister geltend gemacht werden, kalkulieren manche Unternehmen bereits vorab, ob der wirtschaftliche Aufwand einer Klage in Relation zum möglichen Ergebnis überhaupt noch tragbar ist. Da sich dadurch weniger Verfahren realisieren lassen, kann sich ein Trend verstärken, dass Verursacher von Vertrags- oder Produktschäden weniger häufig mit rechtlichen Forderungen konfrontiert werden – mit möglichen Folgen für das Vertrauen in Geschäftsbeziehungen, die Einhaltung von Verträgen und das Risikomanagement innerhalb von Lieferketten. Auch für Versicherer und Makler bedeutet diese Entwicklung eine neue Dynamik: Bei der Beratung von Kunden wird künftig noch stärker auf die Frage der Kosten- und Prozessrisiken eingegangen werden müssen. Eine Rechtsschutzabsicherung gewinnt damit nicht nur für Privatpersonen, sondern zunehmend auch für Unternehmer und Freiberufler an Bedeutung: Sie fungiert nicht nur als finanzieller Schutzschirm, sondern als strategisches Instrument zur Wahrung von Ansprüchen und zur Verhandlungsposition.

Hinzu kommt, dass die steigenden Verfahrenskosten potenziell eine Abschreckung für kleinere Schadenersatz- oder Garantiefälle darstellen. Selbst wenn eine Partei im Recht ist, kann allein die Aussicht auf hohe Kosten dazu führen, dass Ansprüche nicht geltend gemacht werden – mit der Folge, dass Vertragsparteien möglicherweise stärker auf informelle Lösungen oder einseitige Verzichtserklärungen setzen. Diese Verlagerung kann wiederum Einfluss auf die gesamte Rechtsdurchsetzung im Wirtschafts- und Verbraucherschutzbereich haben. Wer beispielsweise als Verbraucher merkt, dass die Kosten-Nutzen-Relation einer Klage stark gegen ihn spricht, wird eher darauf verzichten, sein Recht durchzusetzen – was das Machtgefälle zwischen Verbrauchern und professionellen Anbietern verstärken kann.

Ein weiterer Aspekt liegt in der längerfristigen Planung: In finanzieller Hinsicht muss die mögliche Kostenexposition bei Gerichtsverfahren als Bestandteil des unternehmerischen oder privaten Risikoprofils bewertet werden. Für Unternehmen kann das bedeuten, zusätzliche Kosten- oder Rückstellungsrahmen einzuplanen, um im Falle eines Rechtsstreits nicht überrascht zu werden. Für Privatpersonen wird die Budgetierung von eventuellen Rechtskosten zunehmend relevanter – insbesondere in Bereichen, in denen Anspruchs- und Gewährleistungsrechte bestehen, etwa beim Kauf von hochwertigen Konsumgütern, bei Immobilien- oder Bauverträgen oder in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten. In diesem Zusammenhang gewinnt die frühzeitige Information über Kostenrisiken und mögliche Versicherungsabsicherungen weiter an Gewicht.

Die Entwicklung zeigt zudem, dass sich das Verhältnis von Streitwerten, Gebühren und Risiko zunehmend verschiebt. Da die Gerichtsgebühren oft als Prozentsatz bzw. Staffel vom Streitwert berechnet werden und Anwaltskosten nach Aufwand steigen, treffen Kostensteigerungen sowohl den Einzelprozess als auch die gesamte Zahl der Rechtsstreitigkeiten: Sinken etwa die Verfahren, weil Kläger abschreckt sind, kann dies Auswirkungen auf die Durchsetzungsrate rechtlicher Ansprüche haben. Umgekehrt kann eine erhöhte Anzahl von Verfahren mit hohem Streitwert die Durchschnittskosten weiter in die Höhe treiben – ein sich selbst verstärkender Kreislauf.

Für Versicherungsvermittler und Makler bedeutet die Situation einen zentralen Beratungsanlass: Es gilt, Kunden umfassend über die Gefahren einer nicht abgesicherten Rechtsverfolgung aufzuklären – nicht allein mit Blick auf die Wahrscheinlichkeit eines Verfahrens, sondern auch hinsichtlich der möglichen finanziellen Belastung. Dabei sollten sowohl der Abschluss einer Rechtsschutzversicherung als auch alternative Lösungswege wie Mediation oder Schlichtung thematisiert werden, um das Risiko von kostenintensiven Gerichtsverfahren zu minimieren. Letztere Verfahren bieten häufig eine kostengünstigere und planbarere Alternative zur klassischen gerichtlichen Auseinandersetzung – insbesondere wenn die Streitparteien frühzeitig kooperieren und auf eine Lösung außerhalb des formalen Prozesses hinarbeiten.

In der Beratungspraxis sollte zudem die Bedeutung der Streitwertdimensionalität betont werden: Nicht alle Verfahren laufen über große Summen, doch eine kleine Zahl hochwertiger Verfahren kann die durchschnittlichen Kosten deutlich erhöhen. Insbesondere bei Bau- oder Immobilienprojekten, bei gewerblichen Verträgen oder bei Klagen im Bereich Luxusgüter steigt das Risiko massiv, dass verborgene Kostenfallen entstehen. Hier empfiehlt es sich, vor Vertragsabschluss bereits eine mögliche Kostenabschätzung durchzuführen und die Frage „Was passiert im Streitfall?“ systematisch mit einzubeziehen – etwa durch Kosten-Rechner oder Szenarioanalysen.

Auch im Bereich der politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen sind die Entwicklungen nicht zu unterschätzen: Wenn sich hohe Kostenbarrieren etabliert haben, können sie das Vertrauen in das Rechtssystem untergraben. Ein gerechter Zugang zu juristischen Verfahren gehört zu den Grundpfeilern des Rechtsstaats. Wenn aber viele Menschen oder Unternehmen sich klagen nicht mehr leisten können, verändert sich das Gefüge der Rechtsdurchsetzung – mit möglichen Konsequenzen für Verbraucherschutz, Vertrags- und Produktsicherheit sowie für die Wettbewerbsstruktur. Gerade vor dem Hintergrund globaler Megatrends wie Digitalisierung, technologischem Wandel und internationalem Wettbewerbsdruck wird der effektive Zugang zu Recht eine strategische Ressource.

Die aktuellen Zahlen zeigen: Die Erhöhung der Gerichtskosten ist keineswegs eine isolierte Erscheinung, sondern Teil eines größeren Systems von Kosten- und Gebührenerhöhungen im Justiz- und Anwaltsbereich. Wer heute Klage erhebt, wird nicht mehr nur mit dem inhaltlichen Prozessrisiko konfrontiert, sondern zunehmend mit einem finanziellen Risiko, das signifikant gestiegen ist. Dabei gilt: Kostenplanung, gute Absicherung und strategisches Handeln sind heute wichtiger denn je.

 

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Hinweis: Dieser Artikel dient lediglich informativen Zwecken und ersetzt keine professionelle Beratung. Es wird empfohlen, individuelle Versicherungsbedürfnisse mit einem qualifizierten Versicherungsberater oder Versicherungsmakler wie z.B. „AMB Allfinanz Makler“ zu besprechen.