Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) hat in einer Studie das sogenannte Greenium im europäischen Anleihemarkt untersucht. Dabei handelt es sich um den Renditeabschlag, den Investoren bei grünen Anleihen gegenüber konventionellen hinnehmen müssen. Das Ergebnis der Rechenarbeit zeigt, dass Green Bonds seit ihrer Einführung vor zehn Jahren deutlich aufgeholt haben und mittlerweile in vielen Bereichen mit ihren konventionellen Pendants gleichziehen konnten.

Wie hoch das Greenium ausfällt, hängt von der jeweiligen Assetklasse ab. Allenfalls minimal ist es bei öffentlichen Emittenten. „Die Studie zeigt, dass Green Bonds attraktive Assets für Versicherer sind und sich auch für Emittenten mit glaubhaften Nachhaltigkeitsstandards rechnen. Damit sich der bisher noch begrenzte Markt für grüne Anleihen jetzt schneller entwickelt, brauchen wir einen marktweit akzeptierten EU Green Bond Standard und mehr Emissionen“, kommentiert GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen das Studienergebnis.

Die Untersuchung des GDV verdeutlicht, dass sich der Markt für nachhaltige Finanzinstrumente zunehmend professionalisiert und an wirtschaftlicher Relevanz gewinnt. Während Investoren zu Beginn noch deutliche Renditeabschläge akzeptieren mussten, um Umwelt- und Klimaprojekte über Green Bonds zu finanzieren, hat sich der Markt inzwischen auf ein Wettbewerbsniveau entwickelt, das konventionellen Anleihen kaum nachsteht. Diese Entwicklung ist nicht nur Ausdruck einer steigenden Nachfrage, sondern auch einer verbesserten Qualität der Emissionen und der dahinterstehenden Nachhaltigkeitsstrategien.

Ein zentrales Ergebnis der Studie ist die Differenzierung nach Assetklassen. Während Unternehmensanleihen mitunter noch ein leicht höheres Greenium aufweisen können, ist der Unterschied im Segment öffentlicher Emittenten nahezu verschwunden. Dies zeigt, dass Staaten und supranationale Institutionen inzwischen in der Lage sind, grüne Emissionen zu marktüblichen Konditionen zu platzieren – ein wichtiger Schritt für eine breite und verlässliche Finanzierung der Energiewende. Besonders interessant ist, dass Green Bonds trotz zeitweise turbulenter Marktphasen stabil nachgefragt wurden, was auf ein gestiegenes Vertrauen institutioneller Anleger hindeutet.

Für Versicherungsunternehmen, die traditionell langfristig orientiert investieren und großen Wert auf stabile und planbare Renditen legen, spielen Green Bonds eine immer größere Rolle. Sie ermöglichen es, regulatorische Vorgaben im Bereich der Nachhaltigkeit zu erfüllen und gleichzeitig wirtschaftlich tragfähige Anlagen zu tätigen. Der GDV weist darauf hin, dass die Attraktivität dieser Produkte weiter steigen wird, wenn der Markt stärker standardisiert wird. Ein einheitlicher EU Green Bond Standard soll künftig für Transparenz, Vergleichbarkeit und Glaubwürdigkeit sorgen – Faktoren, die für institutionelle Investoren essenziell sind.

Aktuell ist der Markt für grüne Anleihen im Verhältnis zum gesamten europäischen Anleihevolumen noch vergleichsweise klein. Dennoch wächst er rasant: In den vergangenen Jahren haben sowohl Unternehmen als auch öffentliche Institutionen ihre Emissionsvolumina kontinuierlich erhöht. Internationale Klimaziele, ESG-Regulierung und gesellschaftlicher Druck tragen dazu bei, dass nachhaltige Investitionen zunehmend als unverzichtbarer Bestandteil moderner Kapitalmarktstrategien betrachtet werden. Die Studie des GDV sieht in diesem Trend eine langfristige Entwicklung, die nicht nur ökologische, sondern auch ökonomische Vorteile bietet.

Besonders hervorzuheben ist, dass Green Bonds – anders als viele Befürworter zu Beginn befürchteten – nicht zwingend zu Lasten der Rendite gehen. Das schrumpfende Greenium deutet darauf hin, dass nachhaltige Finanzierungen wettbewerbsfähig geworden sind. Für Emittenten bedeutet dies, dass sie sich über Green Bonds nicht nur ökologisch positionieren, sondern auch kosteneffizient Kapital beschaffen können. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass ihre Nachhaltigkeitsziele glaubhaft, transparent und überprüfbar sind. Investoren achten heute deutlich stärker auf „Greenwashing“-Risiken und erwarten klare Nachweise über Projektverwendung, CO₂-Einsparungen und Monitoring.

Vor diesem Hintergrund gewinnt die Rolle regulatorischer Rahmenbedingungen an Bedeutung. Ein verbindlicher EU Green Bond Standard könnte hier eine entscheidende Lücke schließen. Er würde definieren, welche Kriterien eine Anleihe erfüllen muss, um tatsächlich als „grün“ zu gelten, und damit Vertrauen und Marktstabilität schaffen. Gleichzeitig könnte er das Wachstum des Marktes beschleunigen, weil sowohl Emittenten als auch Investoren Planungssicherheit erhalten.

Für die Versicherungswirtschaft stellt sich die Frage, wie sie ihre Anlagestrategien weiterentwickeln kann, um nachhaltige Ziele zu fördern und gleichzeitig im Niedrigzinsumfeld attraktive Erträge zu erzielen. Green Bonds bieten hierfür ein passendes Instrument, insbesondere weil sie meist ähnliche Risiko- und Laufzeitstrukturen aufweisen wie konventionelle Anleihen. Das macht sie zu einer natürlichen Ergänzung im Portfolio langfristig orientierter institutioneller Investoren.

Insgesamt zeigt die Studie, dass Green Bonds kein Nischenprodukt mehr sind, sondern sich auf dem Weg in den Mainstream befinden. Mit der richtigen regulatorischen Unterstützung, weiteren Innovationen und steigenden Emissionsvolumina könnte sich der Markt in den kommenden Jahren zu einem der wichtigsten Segmente des europäischen Kapitalmarkts entwickeln – sowohl für Emittenten als auch für Investoren, die Nachhaltigkeit und Rendite miteinander vereinen möchten.