Sparen wird für viele zum Luxus

Erstmals in einer seit 1997 von Kantar durchgeführten Umfrageserie ist die Zahl der Bundesbürger, die sich für konkrete Ziele zu sparen imstande sehen, in diesem Sommer auf durchschnittlich unter 40 Prozent gesunken – so das Kernergebnis der im Auftrag des Verbands der Privaten Bausparkassen (VPB) unter rund 2.000 Personen über 14 Jahren durchgeführten „Sommerumfrage 2022“. Im Frühjahr lag der Wert noch bei 42,4 Prozent. „Die Preisexplosion macht den Menschen zu schaffen“, deutet VPB-Hauptgeschäftsführer Christian König die bedenkliche Entwicklung, „zum Sparen bleibt vielfach nichts mehr übrig.“

Für die Sparbereiche „Wohneigentum“ und „Kapitalanlage“ blieben die Zustimmungswerte mit 44 und 33 Prozent konstant. Abstriche gab es dagegen auch bei den Sparzielen „Konsum“ (49 Prozent, nach 53 im Frühjahr), worunter spätere größere Anschaffungen verstanden werden, und „Altersvorsorge“ (57 Prozent, nach 59 im Frühjahr). Auf niedrigem Niveau zugelegt hat das Sparziel „Notgroschen“ (von 5 auf 6 Prozent).

Die Ergebnisse der Sommerumfrage 2022 zeigen deutlich, dass die finanzielle Belastung vieler Haushalte spürbar zugenommen hat – nicht nur bei den ohnehin einkommensschwächeren Gruppen, sondern zunehmend auch in der Mittelschicht. Die anhaltend hohe Inflation, insbesondere bei Energie, Lebensmitteln und Mobilität, zehrt massiv an den verfügbaren Einkommen. Dies führt dazu, dass selbst traditionell stark verankerte Sparmotive wie Altersvorsorge und größere Konsumausgaben hinter akuten Alltagsbedürfnissen zurückstehen müssen.

Auffällig ist, dass das Sparziel „Notgroschen“ leicht an Bedeutung gewinnt – ein Zeichen dafür, dass viele Menschen sich auf kurzfristige finanzielle Engpässe vorbereiten wollen oder müssen. Diese Entwicklung lässt sich als Reaktion auf die wachsende Unsicherheit interpretieren: Pandemie, Krieg in Europa, Preissteigerungen und wirtschaftliche Instabilität haben bei vielen das Sicherheitsbedürfnis gestärkt. Dennoch bleibt das Niveau mit sechs Prozent ausgesprochen niedrig, was darauf hindeutet, dass vielen schlicht die Mittel für Rücklagen fehlen.

Dass die Sparziele „Wohneigentum“ und „Kapitalanlage“ trotz steigender Bau- und Finanzierungskosten stabil geblieben sind, spricht für eine gewisse Grundorientierung in der Bevölkerung, langfristige Ziele nicht völlig aus den Augen zu verlieren. Gleichwohl dürfte sich auch hier der Handlungsspielraum verengen, da die Zinswende Kredite verteuert und der Immobilienerwerb für viele weniger realistisch erscheint als noch vor wenigen Jahren.

Besonders besorgniserregend ist der Rückgang beim Thema Altersvorsorge. In einer Zeit, in der die demografische Entwicklung und die Herausforderungen der gesetzlichen Rente eine private Vorsorge dringlicher denn je machen, sinkt die Bereitschaft oder Möglichkeit, dafür Geld beiseitezulegen. Langfristig droht dadurch eine Verschärfung der Altersarmut, vor allem wenn ausbleibendes Sparen nicht durch staatliche Reformen oder neue Fördermodelle kompensiert wird.

Insgesamt offenbart die Kantar-Umfrage eine Gesellschaft im finanziellen Stresszustand. Die Politik steht vor der Aufgabe, Rahmenbedingungen zu schaffen, die gezieltes Sparen auch bei kleinen und mittleren Einkommen wieder ermöglichen – etwa durch steuerliche Anreize, Sparförderung oder eine vereinfachte private Altersvorsorge. Denn ohne konkrete Sparziele droht nicht nur eine Lücke im Vermögensaufbau, sondern auch ein Verlust an finanzieller Souveränität und Zukunftsperspektive für weite Teile der Bevölkerung.