Aus für verbindliche Führerschein – Medizinchecks bei Senioren

Geplant waren obligatorische Untersuchungen im 15-Jahres-Rhythmus, bei über 70-jährigen Fahrern alle fünf Jahre. Nun ist diese EU-weite Pflicht zu regelmäßigen allgemeinen Medizinchecks für Inhaber von Führerscheinen vom Tisch – das EU-Parlament hat den Daumen gesenkt. Geplant waren obligatorische Untersuchungen im 15-Jahres-Rhythmus, bei über 70-jährigen Fahrern alle fünf Jahre. 

Die Ablehnung im Parlament ist ganz im Sinne der Versicherer, wie Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), hervorhebt. Er betont, dass Medizinchecks keine positiven Effekte für die Verkehrssicherheit haben und dass das eigentliche Problem nicht die Fahreignung, sondern die Fahrkompetenz ist, insbesondere bei älteren Fahrern.

Es ginge vielmehr um Aufmerksamkeit, Konzentration und Reaktionsgeschwindigkeit. Eigenschaften, die mit zunehmendem Alter rapide nachlassen können.

Sinnvoller seien daher obligatorische Rückmeldefahrten mit eigens dafür geschulten Begleitpersonen wie Fahrlehrern, -prüfern oder Verkehrspsychologen. Sanktionen wie ein Führerscheinentzug sollen damit aber nicht verbunden sein, das Ergebnis zudem auch noch geheim bleiben.

In zwei Testprojekten seien mit solchen Fahrten ermutigende Erfahrungen gemacht worden – heißt es. Genauere Daten liegen uns dazu jedoch nicht vor.

Diskussion um Verkehrssicherheit im Alter bleibt lebhaft

Trotz der Ablehnung im EU-Parlament bleibt die Debatte über die Verkehrstauglichkeit älterer Verkehrsteilnehmer weiterhin ein sensibles Thema. Die Altersstruktur in der Bevölkerung verändert sich spürbar: Schon heute ist etwa jeder vierte Führerscheininhaber in Deutschland über 65 Jahre alt – Tendenz steigend. Mit dem demografischen Wandel wird sich auch die Zahl älterer Autofahrer auf den Straßen weiter erhöhen.

Während viele Senioren durch jahrzehntelange Fahrerfahrung und umsichtiges Verhalten im Straßenverkehr auffallen, nimmt im höheren Alter die Unfallhäufigkeit pro gefahrenem Kilometer tendenziell wieder zu. Besonders Unfälle durch Übersehen anderer Verkehrsteilnehmer oder Fehleinschätzungen beim Abbiegen und Einfädeln sind in dieser Altersgruppe überdurchschnittlich häufig vertreten.

Rückmeldefahrten als möglicher Kompromiss

Die vorgeschlagenen Rückmeldefahrten gelten als sanfter und konstruktiver Ansatz, um mögliche Defizite im Fahrverhalten älterer Verkehrsteilnehmer aufzudecken – ohne gleich den Führerschein in Frage zu stellen. Die dabei gewonnenen Erkenntnisse könnten in freiwillige Beratungsgespräche oder Empfehlungen münden. Die Versicherungswirtschaft sieht hierin einen praktikableren Hebel zur Förderung der Verkehrssicherheit als pauschale medizinische Tests.

In der Schweiz, den Niederlanden oder Finnland gibt es seit Jahren ähnliche Modelle mit Rückmeldefahrten oder altersabhängigen Fahreignungsprüfungen – mit teils positiven Effekten. Allerdings gibt es bislang keine einheitlichen europäischen Standards oder eine konsolidierte Datengrundlage, die den tatsächlichen Nutzen eindeutig belegt.

Autonomie versus Sicherheit

Die Debatte berührt auch gesellschaftspolitisch sensible Fragen. So steht dem berechtigten Anliegen nach mehr Verkehrssicherheit das ebenso legitime Interesse älterer Menschen gegenüber, ihre Mobilität zu erhalten – gerade in ländlichen Regionen, wo der öffentliche Nahverkehr oft keine Alternative darstellt. Ein automatischer medizinischer Testzwang hätte in vielen Fällen als diskriminierend empfunden werden können, da Alter allein keine Aussage über die tatsächliche Fahrfähigkeit trifft.

Ausblick

Obwohl die verbindlichen EU-Medizinchecks vorerst vom Tisch sind, wird das Thema altersgerechte Verkehrsteilnahme in den kommenden Jahren weiter an Bedeutung gewinnen. Nationale Regelungen, Pilotprojekte und freiwillige Maßnahmen könnten dabei helfen, eine Balance zwischen Sicherheit und Selbstbestimmung zu finden. Die Versicherer kündigten an, ihre Forschung in diesem Bereich auszuweiten und gemeinsam mit Fahrlehrerverband und Verkehrspsychologen praxisnahe Konzepte zu erarbeiten.