Die am deutschen Markt agierenden Versicherer, die zu den größten institutionellen Investoren zählen, haben erstmals für rund ein Fünftel ihrer Aktien und Unternehmensanleihen den CO2-Fußabdruck ermittelt. Heraus kam ein Wert von 71 Millionen Tonnen CO2 pro investierte Million Euro. Er soll künftig als Referenz dienen, um angestrebte Fortschritte bei der Dekarbonisierung zu messen und sichtbar zu machen. Schon bis 2025 soll er signifikant gesenkt werden. Weitere Anlageklassen sollen in den nächsten Jahren ebenfalls in die Betrachtung einbezogen werden.

85 Prozent der hiesigen Versicherer haben sich für ihre Kapitalanlagen das Ziel „Null-Emission“ auf die Fahnen geschrieben. Auch den eigenen Geschäftsbetrieb wollen 80 Prozent auf Nachhaltigkeit trimmen, sei es bei der Energieversorgung oder bei der Auswahl von Dienstleistern. Jörg Asmussen, der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV), hebt das Tempo der Transformation hervor: „Die erst zum Anfang des vergangenen Jahres von uns angestoßenen Veränderungen werden von den Unternehmen umgesetzt.“

Diese Entwicklung zeigt, wie stark das Thema Nachhaltigkeit inzwischen in der deutschen Versicherungswirtschaft verankert ist. Als einer der bedeutendsten Kapitalanleger in Deutschland tragen Versicherer eine besondere Verantwortung, denn ihre Investmententscheidungen haben direkten Einfluss auf die Transformation der Realwirtschaft. Schon heute steuern Versicherer Milliardenbeträge in Kapitalmärkte und Unternehmensfinanzierungen – und damit auch in emissionsintensive oder klimafreundliche Sektoren. Eine systematische Erfassung und Reduktion des CO₂-Fußabdrucks ist daher ein wichtiger Schritt, um Transparenz zu schaffen und den Wandel hin zu nachhaltigen Wirtschaftsstrukturen aktiv zu unterstützen.

Dass erstmals ein messbarer Referenzwert geschaffen wurde, ermöglicht es der Branche, ihre Fortschritte objektiv zu dokumentieren. Der bislang ermittelte Wert ist ein Ausgangspunkt, der nicht nur als Benchmark dient, sondern auch als strategische Orientierung für zukünftige Investitionsentscheidungen. Versicherer können anhand dieser Kennziffer besser beurteilen, in welchen Bereichen sie Emissionen reduzieren, Engagement-Prozesse intensivieren oder ihre Kapitalallokation verändern müssen. Eine Senkung des CO₂-Fußabdrucks bis 2025 ist ambitioniert, zeigt aber, welchen Stellenwert klimafreundliche Kapitalanlagen mittlerweile einnehmen.

Gleichzeitig wird deutlich, dass der Wandel in der Versicherungsbranche nicht nur auf Kapitalanlagen beschränkt bleibt. Die internen Nachhaltigkeitsziele unterstreichen, dass Unternehmen ihre Verantwortung ganzheitlich verstehen. Dazu gehören Initiativen zur Reduktion des Energieverbrauchs, der Einsatz erneuerbarer Energien, nachhaltige Mobilitätskonzepte und strenge Auswahlkriterien bei Dienstleistern und Geschäftspartnern. Auch Prozesse wie Digitalisierung, papierloses Arbeiten und intelligente Gebäudetechnik tragen dazu bei, die Emissionen des eigenen Geschäftsbetriebs nachhaltig zu senken.

Die hohe Bereitschaft der Branche, neue Standards anzunehmen, hängt nicht zuletzt mit wachsendem gesellschaftlichen und regulatorischen Druck zusammen. Kunden, Mitarbeitende, Investoren und Gesetzgeber erwarten zunehmend, dass Unternehmen ihren Beitrag zu Klimaschutz und Nachhaltigkeit leisten. Mit der EU-Taxonomie, der Offenlegungsverordnung (SFDR) und weiteren regulatorischen Vorgaben steigt die Erwartungshaltung an Transparenz und nachhaltige Kapitallenkung. Versicherer, die diesen Anforderungen frühzeitig gerecht werden, sichern sich nicht nur regulatorische Konformität, sondern stärken auch ihr öffentliches Vertrauen.

Zudem zeigt die Festlegung ambitionierter Ziele, dass Versicherer den Klimawandel auch als finanzielles Risiko betrachten. Extremwetterereignisse, Naturkatastrophen und klimawandelbedingte Schäden beeinflussen Schadenkosten, Risikomodelle und Tarifkalkulationen. Eine Verringerung globaler Emissionen ist daher nicht nur ein gesellschaftliches Anliegen, sondern auch eine betriebswirtschaftliche Notwendigkeit. Indem Versicherer nachhaltige Projekte fördern und klimaschädliche Investments reduzieren, sichern sie langfristig auch die Stabilität ihres eigenen Geschäftsmodells.

Besonders interessant ist die geplante Ausweitung der CO₂-Analyse auf weitere Anlageklassen. Immobilien, Infrastrukturinvestments oder alternative Anlagen wie Private Equity können einen erheblichen Einfluss auf die Gesamtbilanz haben. Eine umfassende Betrachtung ermöglicht es den Versicherern, versteckte Emissionsquellen zu identifizieren und zielgerichtete Klimastrategien umzusetzen. Viele Unternehmen entwickeln bereits Klimapfade, die festlegen, wie sie ihre Investments langfristig an das 1,5-Grad-Ziel des Pariser Klimaabkommens anpassen.

Insgesamt wird deutlich, dass die Versicherungswirtschaft nicht nur reagiert, sondern aktiv gestaltet. Der eingeschlagene Weg zeigt, dass Nachhaltigkeit die kommenden Jahrzehnte maßgeblich prägen wird – sowohl in der Kapitalanlage als auch im operativen Geschäft. Für Kunden bedeutet dies mehr Transparenz, verantwortungsbewusste Produkte und eine langfristig stabilere Finanzstruktur. Für die Gesellschaft ist es ein Signal, dass große institutionelle Investoren ihre Macht nutzen, um den Übergang zu einer klimafreundlichen Wirtschaft zu beschleunigen.