Man kommt kaum noch hinterher beim Zählen der Leitzinsanhebungen in der Eurozone. Gibt es demnach nun endlich wieder eine echte Verzinsung aufs Tagesgeld? Nicht unbedingt, wie die Auswertung einer großen Vergleichsplattform zeigt. Demnach verfallen die Banken bei der Weitergabe der Zinsen an ihre Kunden nicht in Hektik. Ganze 55 Prozent der 644 untersuchten Institute zahlten im Februar noch keine Zinsen auf Tagesgeld. Immerhin ist eine gewisse Dynamik erkennbar, denn vier Wochen zuvor waren es noch knapp 62 Prozent.
Vor allem die regionalen Sparkassen und Genossenschaftsbanken lassen sich Zeit. Bei Ersteren lag der Anteil der Institute, die keine Verzinsung gewährten, im Februar noch bei 62 Prozent, bei den Volks- und Raiffeisenbanken inklusive PSD- und Sparda-Banken bei 58 Prozent. Ein anderes Tempo zeigen dagegen die bundesweit agierenden Banken mit Tagesgeldangebot: Von ihnen vermeldeten im Februar nur 12 Prozent Nullzinsen.
Wird eine Verzinsung gewährt, reicht die allerdings meist kaum zum Vermögensaufbau – selbst ohne die Rekordinflation in Rechnung zu stellen. Viele Banken zahlen weniger als 0,1 Prozent auf Tagesgeld. Lediglich digitale Start-up-Banken, sogenannte FinTechs, offerieren 2 Prozent oder mehr.
Die Diskrepanz zwischen steigenden Leitzinsen und tatsächlichen Zinsangeboten für Tagesgeldkunden offenbart ein strukturelles und zugleich altbekanntes Phänomen im Bankenmarkt. Zwar steigen die Refinanzierungskosten für Banken durch die Anhebungen der Europäischen Zentralbank, jedoch bedeutet dies keineswegs automatisch, dass Institute diese höheren Zinsen auch an private Sparer weiterreichen. Viele Banken verfügen bereits über ausreichende Liquidität und sehen daher keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Vorteil darin, Kunden durch attraktivere Sparzinsen anzulocken. Stattdessen nutzen sie die Leitzinssteigerungen vorwiegend, um ihre Margen im Kreditgeschäft auszuweiten.
Besonders bei regionalen Instituten ist diese Zurückhaltung traditionell ausgeprägt. Sparkassen und Genossenschaftsbanken verfügen oft über stabile Kundenbeziehungen und eine starke lokale Verankerung, die dazu führt, dass sie weniger wettbewerbsorientiert agieren als überregionale Direktbanken. Ein Großteil ihrer Kundschaft bleibt aus Verbundenheit oder Bequemlichkeit treu – selbst dann, wenn die Konditionen nicht zu den besten am Markt gehören. Dies erklärt, warum in diesen Bankengruppen besonders häufig Nullzinsen oder minimale Tagesgeldzinsen anzutreffen sind.
Ganz anders gestaltet sich die Lage bei bundesweiten Direktbanken und insbesondere bei FinTechs. Diese Anbieter operieren mit effizienteren digitalen Strukturen, deutlich geringeren Fixkosten und sind stark auf Neukundengewinnung ausgerichtet. Attraktive Tagesgeldzinsen, oft mit befristeten Neukundenaktionen kombiniert, gehören daher zu ihren wesentlichen Marketinginstrumenten. Zinssätze von 2 Prozent oder mehr sind für sie nicht nur ein Lockangebot, sondern Ausdruck ihres Geschäftsmodells, das auf schlanken Prozessen und hoher Skalierbarkeit basiert.
Für Verbraucher bedeutet dies, dass der Markt differenzierter betrachtet werden muss. Allein auf die Großwetterlage der Leitzinsen zu schauen, reicht nicht aus. Entscheidend sind die Geschäftsstrategien der jeweiligen Institute. Während traditionelle Banken ein eher konservatives Zinsmanagement verfolgen, nutzen digitale Wettbewerber ihre Flexibilität, um sich positiv von der Konkurrenz abzuheben. Dies schafft zwar attraktive Chancen für wechselfreudige Sparer, erfordert aber auch ein wachsames Auge, denn die besten Zinsen sind häufig zeitlich befristet oder gelten nur für bestimmte Anlagesummen.
Gleichzeitig wird deutlich, dass Tagesgeld trotz kleiner Zinsschritte kaum zum Vermögensaufbau geeignet ist. Die reale Verzinsung – also der Zinssatz abzüglich Inflation – bleibt in der Regel negativ. Selbst ein Zinssatz von 2 Prozent reicht bei einer Inflation von beispielsweise 5 bis 8 Prozent nicht aus, um die Kaufkraft langfristig zu erhalten. Tagesgeld erfüllt daher primär die Funktion eines sicheren Liquiditätspuffers, nicht eines renditeorientierten Investments. Der Fokus sollte hier auf Flexibilität und Sicherheit liegen, nicht auf hohen Zinsgewinnen.
Für den Vermögensaufbau bleibt es wichtig, ergänzende Anlageformen zu berücksichtigen. Aktien, ETFs, Anleihen oder gemischte Investmentfonds bieten – je nach Risikoprofil – langfristig deutlich bessere Renditechancen. Die Kunst besteht in einer ausgewogenen Struktur, die sowohl Liquidität für kurzfristige Zwecke als auch wachstumsorientierte Bausteine für mittel- und langfristige Ziele enthält.
Abschließend lässt sich festhalten, dass die Zinswende zwar Bewegung in den Tagesgeldmarkt gebracht hat, die Übersetzung dieser Entwicklung in attraktive Angebote für Endkunden jedoch nur schleppend erfolgt. Sparer sind daher gut beraten, regelmäßig Konditionen zu vergleichen, nicht aus reiner Gewohnheit bei ihrem Institut zu verbleiben und Tagesgeld mit anderen Anlageformen zu ergänzen, um finanzielle Ziele nachhaltig zu erreichen.
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