Neben dem allgemeinen Anstieg der Beschwerdezahlen ist auch die Art der Beschwerden von Interesse. Die meisten Eingaben betreffen weiterhin die Sparten Lebensversicherung, Kfz-Versicherung, Rechtsschutz und private Krankenversicherung. Besonders häufig beanstanden Verbraucher hierbei Streitigkeiten über Leistungsansprüche, Kündigungen, Vertragsbedingungen oder Beitragsanpassungen. Die Komplexität mancher Versicherungsprodukte sowie unzureichende Kommunikation durch Versicherer sind häufige Ursachen für Missverständnisse, die letztlich zu einer Eingabe beim Ombudsmann führen.
Eine interessante Entwicklung zeigt sich auch bei der durchschnittlichen Bearbeitungsdauer. Im Jahr 2023 konnte die Schlichtungsstelle durchschnittlich innerhalb von 70 Tagen eine Entscheidung treffen – ein Wert, der angesichts der Komplexität mancher Sachverhalte als effizient gilt. In vielen Fällen wird eine einvernehmliche Lösung zwischen Verbraucher und Versicherer erzielt, ohne dass es einer förmlichen Entscheidung des Ombudsmanns bedarf. Solche außergerichtlichen Einigungen tragen dazu bei, das Vertrauen der Verbraucher in die Neutralität und Wirksamkeit der Schlichtungsstelle zu stärken.
Seit der Amtsübernahme durch Sibylle Kessal-Wulf wurden erste Schritte unternommen, die Ombudsstelle digitaler und nutzerfreundlicher zu gestalten. Dazu gehört etwa die Weiterentwicklung des Online-Portals, über das Verbraucher ihre Beschwerde elektronisch einreichen und den Bearbeitungsstatus einsehen können. Auch wurde die Zusammenarbeit mit Verbraucherzentralen und anderen Aufsichtsbehörden wie der BaFin intensiviert, um systemische Probleme frühzeitig zu erkennen und abzustellen.
Erwähnenswert ist zudem, dass Beschwerden gegen Versicherungsvermittler und -makler in einem eigenen Verfahren bearbeitet werden. Diese sogenannten „Vermittlerverfahren“ machen einen kleineren, aber wachsenden Anteil des Gesamtbeschwerdevolumens aus. Streitpunkte sind hier vor allem mangelhafte Beratung, unzureichende Aufklärungspflichten und Provisionsfragen. In diesen Fällen kann der Ombudsmann allerdings keine bindenden Entscheidungen treffen, sondern nur Empfehlungen aussprechen.
Der Ombudsmann versteht sich nicht nur als Vermittler, sondern auch als Frühwarnsystem für Fehlentwicklungen in der Branche. Wiederholte Beschwerdemuster können Hinweise auf Defizite in bestimmten Vertragsklauseln, Vertriebsmethoden oder internen Abläufen bei Versicherern liefern. So hatte in der Vergangenheit etwa die Häufung von Beschwerden über undurchsichtige Beitragsanpassungen in der privaten Krankenversicherung zu regulatorischen Prüfungen und gesetzgeberischen Initiativen geführt.
Auch international wird die Arbeit des Versicherungsombudsmanns beachtet. Als Mitglied im Netzwerk FIN-NET, dem europäischen Schlichtungsnetzwerk für Finanzdienstleistungen, trägt der Versicherungsombudsmann zur grenzüberschreitenden Bearbeitung von Verbraucherbeschwerden bei. Dies ist insbesondere in Zeiten zunehmender Digitalisierung und internationaler Versicherungsangebote von wachsender Bedeutung.
Nicht zuletzt spielt auch die Aufklärungsarbeit eine Rolle: In Jahresberichten, Informationsbroschüren und Vorträgen erläutert der Ombudsmann regelmäßig typische Problemfelder im Versicherungsrecht und gibt Empfehlungen für ein konfliktfreies Miteinander zwischen Kunden und Anbietern. Ziel ist es, Beschwerden gar nicht erst entstehen zu lassen – durch bessere Kommunikation, Transparenz und Fairness in der Vertragsgestaltung.