Das Börsenjahr 2022 verlief bekanntlich schwierig, über 12 Prozent büßte der DAX ein. So verwundert es nicht, dass offene Publikumsfonds laut einer Auswertung des Fondsverbands BVI erstmals seit mehr als zehn Jahren mehr Ab- als Zuflüsse verzeichneten. Unterm Strich sank das Nettomittelaufkommen um 4,2 Milliarden Euro. Zuletzt hatte 2011 im Zuge der Eurokrise ein negatives Jahresergebnis zu Buche gestanden.

Gegen den Trend entwickelten sich hingegen Fonds mit Nachhaltigkeitsmerkmalen gemäß Artikel 8 oder 9 der EU-Offenlegungsverordnung. Ihnen flossen 5,4 Milliarden Euro mehr zu, als abgerufen wurden. Daraus folgt, dass die nicht nachhaltigen Publikumsfonds sogar mehr als 9 Milliarden Euro Einbußen hinnehmen mussten.

Die wachsende Zahl der als nachhaltig klassifizierten Fonds zahlt auf diesen Trend ein. Deren Anleger mussten 2022 über alle Anlageklassen hinweg im Durchschnitt leicht geringere Verluste verkraften: Während das Minus bei konventionellen Fonds 13 Prozent betrug, lag es bei nachhaltigen Fonds bei 10 Prozent.

Ein wesentlicher Grund für die geringeren Verluste nachhaltiger Fonds liegt in ihrer oft selektiveren Titelauswahl: Branchen wie fossile Energie oder klassische Industrie, die 2022 teils stark unter geopolitischen Spannungen und Inflationsdruck litten, sind in vielen ESG-konformen Fonds untergewichtet oder ausgeschlossen. Stattdessen setzen diese stärker auf Sektoren wie Technologie, Gesundheit und erneuerbare Energien – Bereiche, die sich im vergangenen Jahr vergleichsweise robuster entwickelten oder schneller erholen konnten.

Zudem zeigt sich, dass viele Anleger selbst in wirtschaftlich schwierigen Phasen ihrer Überzeugung treu bleiben und ihre Investments nicht allein nach kurzfristiger Performance, sondern auch nach ethischen oder ökologischen Kriterien ausrichten. Gerade institutionelle Investoren, aber zunehmend auch vermögende Privatkunden, richten ihre Kapitalanlagen an Nachhaltigkeitszielen aus – ein Trend, der durch regulatorische Vorgaben und wachsende Transparenz weiter an Fahrt gewinnt.

Die Offenlegungsverordnung der EU spielt hier eine wichtige Rolle: Fondsanbieter müssen klar kennzeichnen, ob und in welchem Ausmaß Nachhaltigkeitsmerkmale berücksichtigt werden, was für mehr Vergleichbarkeit und Vertrauen sorgt.

Nicht zuletzt hat das Jahr 2022 auch gezeigt, dass Nachhaltigkeit nicht nur ein Marketingversprechen, sondern ein strategischer Investitionsansatz ist. Wer sein Portfolio an langfristig tragfähigen, nachhaltigen Geschäftsmodellen orientiert, kann gerade in turbulenten Marktphasen eine gewisse Stabilität gewinnen. Dennoch ist festzuhalten, dass auch nachhaltige Fonds den Marktschwankungen nicht entgehen – aber offenbar etwas abgefedert durch ihre Struktur.

Mit Blick auf die kommenden Jahre dürfte sich dieser Trend fortsetzen. Nachhaltige Publikumsfonds, insbesondere solche mit klarer ESG-Strategie und nachvollziehbarer Wirkungsmessung, stehen bei Anlegern weiterhin hoch im Kurs. Damit entsteht nicht nur ein wachsender Marktanteil, sondern auch ein zunehmender Druck auf klassische Fondsanbieter, ihre Produktpalette anzupassen und nachhaltige Alternativen zu entwickeln.

Auch der regulatorische Rahmen wird weiter verschärft werden – etwa durch die geplante EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung von Unternehmen –, was die Datenlage verbessert und Greenwashing erschwert.